Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein bisschen irreführend ist der Titel dieser Debatte schon: Schlussrunde. Wer glaubt, dass wir jetzt Schluss machen mit vernünftiger Haushaltspolitik, der ist falsch gewickelt.
Wachstumsfreundliche Konsolidierung ist nicht nur ein Ein-Tages-Geschäft, sondern eine kontinuierliche Entwicklung. Die Kombination eines robusten, nicht anfälligen Haushaltsausgleichs mit strukturellen Anpassungen ist ein besonderes Anliegen der von Angela Merkel geführten Großen Koalition. Wir bringen diesen robusten Haushaltsausstande – auch ohne Steuersenkungen –, und wir machen deutlich, dass wir den Anspruch haben, mit dem Geld, das die Bürgerinnen und Bürger uns nach der geltenden Rechtslage zur Verfügung stellen, auszukommen. Wir müssen zwischen dem, was ganz, ganz wichtig ist, und dem, was vielleicht nicht ganz so wichtig ist, unterscheiden. Diese Priorisierung ist ein Markenkern unserer Finanzpolitik. Verlässlichkeit, Maß und Mitte, robuster Haushaltsausgleich – daran halten wir fest.
Ich will ganz klar sagen: Das ist kein Selbstzweck, sondern die notwendige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung politischer Handlungsfähigkeit auf allen Ebenen. Wir machen das nicht nur aus statistischen, sondern vor allen Dingen aus politischen Gründen. Das gilt international, das gilt national, das gilt föderal und auch lokal. Wir haben in den leben müssen, dass einige Staaten nicht mehr politisch handlungsfähig waren, weil ihre Finanzen aus dem Ruder gelaufen sind. Wir hatten auch in Deutschland schon einmal diese Entwicklung. Wir waren Sünder vor dem europäischen Stabilitätspakt. Wolfgang Schäuble hat seine Zeit als Finanzminister mit Prognosen von über 80 Milliarden Euro neuen Schulden in einem Jahr begonnen. Diese hat er kontinuierlich abgebaut.
Es passiert immer einmal etwas, das nicht vorhergesehen ist. Ich will an dieser Stelle hervorheben: Als die Flutkatastrophe kam und wir gedern auf diese nationale Herausforderung eine Antwort finden mussten, habefonds aufgelegt.
Wir haben sogar die Kosten der Länder vorübergehend übernommen, ohne die Schuldenregel zu verletzen. Robuster Haushaltsausgleich bedeutet auch gute Vorsorge, wenn es einmal nicht so läuft, wie man es geplant hat. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte auch für die nächsten Jahre Maßstab sein.
Dass Schulden nicht die Lösung von Problemen bringen, sondern deren Ursache sind, zeigt ein Blick auf den Föderalismus. Ich bin Nordrhein-Westfale.
In Nordrhein-Westfalen haben wir Schwierigkeiten mit dem Haushalt; das mag mit der Regierung zusammenhängen. Auf jeden Fall haben wir in Nordrhein-Westfalen große Schwierigkeiten. Regelmäßig muss das Verfassungsgericht die Regierung zur Ordnung rufen.
Wenn hier gesagt wird, wegen der schwarzen Null würde es bei den Schulen nicht mehr anständig laufen – es gibt noch weitere Argumente, die hier vorgetragen worden sind –, will ich Ihnen erwidern: In Nordrhein-Westfalen haben wir gerade Haushaltssperre.
Da werden Sozialprojekte gestoppt, da werden Schulreisen nicht mehr durchgeführt, da wird in diesem Zusammenhang sogar die Sanierung des Kölner Doms eingestellt.
Das zeigt: Wenn du zu viele Schulden hast, dann kannst du nicht mehr handeln. Wenn du den Haushaltsausgleich schaffst, dann kannst du auch bei unvorhergesehenen Ereignissen das Notwendige tun. Daran muss man sich messen lassen.
Herr Kollege Kahrs, ich muss ein zweites Beispiel bringen. Es gibt ja auch andere Flächenländer, vergleichbar mit meinem Heimatland, zum Beispiel das Land, aus dem der Bundesverkehrsminister kommt, Bayern.
Bayern hat einen ausgeglichenen Haushalt. Die denken über die Rückführung von Schulden nach.
Jetzt lassen Sie uns einmal nach Bayern gucken. Sören Bartol hat vorhin in seiner Rede die digitale Infrastruktur angesprochen. Für die Länder gibt es rund 2 Milliarden Euro Fördermittel für digitale Infrastruktur. Das ist auch nach meiner Auffassung eine wichtige Zukunftsinfrastruktur. Da muss man auf Länderebene auch handeln. 1,5 Milliarden Euro von diesen rund 2 Milliarden Euro Fördermitteln für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur werden in Bayern eingesetzt.
Sie sehen: Ausgeglichener Haushalt und Schwerpunktsetzung geht auch bei einem Flächenland in Deutschland zusammen. Liebe Freunde, wir sollten uns insgesamt – Bund, Länder und Gemeinden – an diesen Beispielen orientieren und alle gemeinsam im föderalen Bereich ausgeglichene Haushalte anstreben, weil wir handlungsfähig bleiben wollen. Darum geht es.
Ein weiterer wichtiger Punkt in dieser Debatte war die Rolle von Investitionen. Da konnte man ja gelegentlich den Eindruck gewinnen, hier in Deutschland ginge es drunter und drüber. Beispielsweise die Insolvenzverwalter des real existierenden Sozialismus haben die Investitionsqualität in Deutschland ausgesprochen negativ gemalt. Und bei manchen Reden von den Grünen habe ich mich gewundert, wie sehr sie jetzt plötzlich für Straßen und Brücken eintreten.
In 24 Jahren Parlamentszugehörigkeit kann ich mich nicht daran erinnern, dass diese Fraktion oder Vertreter dieser Partei für irgendeine Infrastrukturentscheidung auf die Straße gegangen sind. In der Regel sind sie dagegen gewesen.
Aber in einer solchen Debatte muss es ja gelegentlich noch Überraschungen geben. Durch manche Reden haben Sie von den Grünen sich direkt für die Automobilindustrie als Geschäftsführer vorgeschlagen.
Tatsache ist, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Investitionen in Deutschland sind in den vergangenen Jahren relativ stabil bei 17 Prozent unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gewesen. In Europa ist das Bild sehr differenziert. Viele europäische Staaten haben in den vergangenen Jahren ihre Investitionen zurückgefahren. Das bedeutet: Nicht Deutschland ist das Problem bei den Investitionen in Europa, sondern Europa insgesamt.
Deswegen ist es auch richtig, dass wir auf der heute beginnenden Tagung des Ecofin – ich darf hier Wolfgang Schäuble deswegen auch entschuldigen, der ansonsten gern an dieser Debatte teilgenommen hätte – eine deutsch-französische Initiative für mehr Investitionen in Europa starten.
Das deutsch-französische Papier verbindet das Bekenntnis zur wachstumsfreundlichen Konsolidierung mit Wegen zur weiteren Mobilisierung insbesondere von privatem, aber auch von möglichem öffentlichen Kapital für die Infrastruktur und für andere wichtige Zwecke in Europa.
Es geht dabei um rechtliche Rahmenbedingungen für private Investitionen. Da kann man im Bereich der Telekommunikationsinfrastruktur oder beim Abbau von Bürokratie in Europa das eine oder andere noch verbessern.
Weiter geht es darum, dass wir die finanziellen Voraussetzungen für die Finanzierung von Wachstum durch private Investitionen verbessern. Bei dem Vorschlag zur Bankenunion, an dem wir im Finanz- und im Haushaltsausschuss in vielen Sitzungen gearbeitet haben, geht es um nichts anderes als darum, ein stabiles Finanzsystem zu garantieren, das auch für private Investitionen für mehr Wachstum insbesondere in der Peripherie sorgen kann. Es geht auch um die Verbriefung von Krediten, damit wir Kapital in den finanziellen Institutionen freibekommen. Das ist ein sehr differenzierter Ansatz, den eines auszeichnet: Er wird nicht zu mehr Defiziten führen. Anders als hier in der Debatte gelegentlich behauptet wird, kann man nicht auf Dauer durch mehr Schulden mehr Investitionen fördern. Stattdessen müssen wir schauen, dass wir das private Kapital, das derzeit händeringend nach Anlagemöglichkeiten sucht, dahin lenken, wo es den größten Wachstumsbeitrag leisten kann; das ist die Herausforderung für die europäische und die deutsche Politik. Man kann nicht einfach mit Schuldenschiefgelaufen, das wird in der Zukunft schieflaufen. Das intelligentere Konzept ist ein differenzierter Ansatz, wie wir ihn heute in Mailand vorgestellt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich glaube, man muss auch einmal an die Beschlüsse der Vergangenheit in Sachen Investitionen erinnern: Wir haben die Europäische Investitionsbank mit zusätzlichem Kapital ausgestattet, damit sie mehr europäische Großprojekte finanziert. Da ist noch Raum nach oben für die Europäische Investitionsbank, das Geld ist noch nicht vollständig ausgegeben. Wir haben viele EU-Mittel – die Strukturfonds wurden aufgestockt; wir haben in diesem Bereich Treffsicherheit –, sodass wir ohne zusätzliches Geld, durch eine bessere Umsetzung mehr für Investitionen in Wachstum in Europa tun können. Lassen Sie uns nicht jede Woche so tun, als würden wir das Rad neu erfinden oder als sei in Deutschland alles in einer schlechten Verfassung! Nutzen wir die vorhandenen Mittel! Wir haben in den vergangenen Monaten den Wachstumsbeitrag von Investitionen in den Mittelpunkt der europäischen Politik gestellt. Deutschland ist dabei, andere sind dabei: Gemeinsam werden wir mehr Wachstum durch private und öffentliche Investitionen in Europa schaffen.
Der Schlüssel bleiben jedoch die privaten Investitionen. Öffentliche Investitionen können nur Vorleistungen sein. Alexander Dobrindt hat es für den Verkehrsetat gesagt: Die Investitionen steigen. – Auch die Investitionen im Etat insgesamt steigen. Wir stellen 5 Milliarden Euro für die Infrastruktur zur Verfügung. Wenn Sie in die Zeitungen blicken, werden Sie feststellen, dass sich auch im privaten Bereich einiges tut: Die Ausrüstungsinvestitionen, viele private Investitionen gehen mit zweistelligen Steigerungsraten nach oben. Das gibt Vertrauen in die Zukunft. Das mag an der Bundesregierung liegen – ich weiß es nicht –; auf jeden Fall steigen die Investitionen. Noch nie ist privat so viel für Forschung und Entwicklung ausgegeben worden wie im vergangenen Jahr. Das sind positive Signale, die deutlich machen: Es gibt auch in Deutschland ein Miteinander von öffentlichen und privaten Investitionen. Trotz robuster Null, trotz klarem Haushaltsausgleich, werden wir in dem Bereich „Bildung und Forschung“ noch eine kräftige Schippe drauflegen. Frau Wanka, Sie sind diejenige, die da eine große Verantwortung trägt für das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Gemeinsam mit den Ländern investieren wir in die Köpfe, aber eben im Verbund von privater und öffentlicher Hand. Das ist ein intelligentes Konzept, das ist unsere Finanzpolitik, dafür sollten wir werben.
Im Rahmen unserer wachstumsorientierten Konsolidierung stellen wir auch den Gemeinden mehr Mittel zur Verfügung. Wenn Sie sich einmal die öffentliche Statistik anschauen, sehen Sie, dass gerade die Gemeinden derzeit eine Schippe bei den kommunalen Investitionen drauflegen. Das steht in einem gewissen Widerspruch zu der Klage, dass die Gemeinden zu wenig Geld hätten. Von Bund, Ländern und Gemeinden sind aber zurzeit die Gemeinden diejenigen mit den größten Überschüssen. Wenn wir die Finanzlage der Gemeinden verbessern, dann steigern wir auch ihre Investitionskapazitäten; man muss auf diesen Zusammenhang einmal hinweisen. Übernimmt der Bund Sozialkosten, haben die Gemeinden mehr Möglichkeiten, in die kommunale Infrastruktur zu investieren. Das heißt, man kann nicht einfach sagen: Wir steigern die Sozialausgaben. – Nein, wir steigern gleichzeitig auch die Investitionskapazitäten der Gemeinden. Das wollen wir. Da ist überhaupt die größte Investitionskraft im öffentlichen Bereich. Das werden wir weiterführen. Wir sind eine kommunalfreundliche und damit investitionsfreundliche Bundesregierung.
Wir haben auch verhandelt, dass die Länder mehr Geld bekommen, insbesondere für den Bereich „Bildung und Forschung“. Wir wollen aber, dass das Geld auch dort ausgegeben wird. Es hat in dieser Haushaltsdebatte an der einen oder anderen Stelle auch Fragen gegeben: Wird es tatsächlich dafür ausgegeben, wofür es vorgesehen war? –Ich appelliere nachdrücklich an die Länder: Wir können sicherlich viele Straßen bauen, die Breitbandversorgung verbessern und Ähnliches mehr. Aber das Wichtigste in einem schrumpfenden Land, in dem die Menschen immer älter werden, sind Investitionen in unsere Schulen und Kindergärten, in unsere Hochschulen, in die Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Wenn ich an der einen oder anderen Stelle sehe, dass die Gelder, die dafür vorgesehen sind, in den Haushalten der 16 Bundesländer versickern, dann stelle ich fest: Das ist eine Sünde an den Zukunftsinteressen Deutschlands. Deswegen sollten wir nicht nur formal und auf dem Papier sagen: „Wir geben Geld an die Länder für mehr Bildung und Forschung“, sondern wir sollten auch gemeinsam deutlich machen: Wir wollen, dass es auch da landet. Verlässlichkeit und Vertrauen sind für diese Zukunftsinvestitionen wichtig und notwendig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Investitionen sind der Schlüssel für mehr Wachstum. Sie stellen eine Unterstützung privater Investitionen dar und sichern gute Rahmenbedingungen. Wir brauchen dieses wirtschaftliche Wachstum, um die robuste Finanzpolitik fortzusetzen. Die Haushaltspolitik allein hat nicht in allen Bereichen Gestaltungsmöglichkeiten. Sie muss flankiert sein von stabilitätsorientierter Sozialpolitik. Wir sind darauf angewiesen, dass in vielen anderen Politikbereichen in der mittelfristigen Perspektive auf mehr Wachstum umgeschaltet wird. Nur wenn Deutschland stark bleibt – wir sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt stark –, werden wir auch die Herausforderungen der nächsten Jahre bewältigen können. Ein robuster, ausgeglichener Haushalt ist eben kein Selbstzweck. Er ist eindeutig die Grundvoraussetzung dafür, dass wir handeln können. Wir wollen handeln, wir können handeln, und wir werden weiter handeln.
In diesem Sinne:
Herzlichen Dank.